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n-TV.de
Urteil zur Massenspeicherung
Das Bundesverfassungsgericht fällt heute sein mit Spannung erwartetes Urteil zur Vorratsdatenspeicherung. Die Karlsruher Richter entscheiden, ob ohne Verdacht alle Internet- und Telefondaten aller Bürger für sechs Monate gespeichert werden dürfen. Während Kritiker auf eine Entschärfung des Gesetzes hoffen, warnt CDU-Innenexperte Bosbach davor.
Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung hat der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach, die umstrittene Datensammlung als notwendig für die Terror-Bekämpfung in Deutschland bezeichnet. Viele Straftaten könnten nur mit den Daten aus der Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden, sagte der CDU-Politiker der "Bild-Zeitung". "Sollte das Gericht das Gesetz verwerfen, werden viele Täter nicht mehr überführt werden können. Die Terrorhelfer sind hochkommunikativ und konspirativ, wir brauchen den Datenzugriff."
Das Bundesverfassungsgericht verkündet heute sein mit Spannung erwartetes Urteil zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Telekommunikationsanbieter sind seit 2008 per Gesetz verpflichtet, die Verbindungsdaten von Telefon, Handy, E-Mail und Internet für ein halbes Jahr zu speichern und Polizei sowie Geheimdiensten bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. Das Gericht hatte die Datennutzung bereits in zwei Anordnungen erheblich eingeschränkt. Nach den kritischen Fragen der Richter bei der mündlichen Verhandlung wird nun erwartet, dass Karlsruhe die Vorratsdatenspeicherung allenfalls unter sehr strengen Auflagen zulassen wird.
Gegenargumente überzeugen
Das Gericht hatte aus der Rekordzahl von knapp 35.000 Beschwerden von Bürgern und Politikern einige exemplarisch ausgewählt, um zu prüfen, ob die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dass das Gericht diese anlasslose Speicherung von Verbindungsdaten allerdings kritisch sieht, machte Verfassungsrichter Johannes Masing bereits bei der Einführung in die mündliche Verhandlung klar: Polizei und Geheimdienste könnten mit den Daten feststellen, "wer, wann, wie lange, von wo aus, mit wem kommuniziert hat", sagte Masing damals.
Das Gericht hatte sich zudem von den kritischen Ausführungen der bestellten Sachverständigen beeindruckt gezeigt. So hatte etwa die Vertreterin des Chaos Computer Clubs (CCC), Constanze Kurz, davor gewarnt, dass mit den Verbindungsdaten sensible Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden könnten. Die derzeit 110 Millionen Handys in Deutschland seien künftig bis auf wenige Meter genau ortbar und würden damit alle automatisch zu "Ortungswanzen", sagte Kurz.
Unnötige Instrumente?
Nach Ansicht des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, können alle typischen Straftaten wie etwa der Handel mit Kinderpornografie oder das Ausspähen von Online-Bankkonten auch ohne die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich aufgeklärt werden. Gegen Internetkriminalität sei die Polizei bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zum Januar 2008 erfolgreich vorgegangen. So lag die Aufklärungsquote des Bundeskriminalamtes für Straftaten mit dem sogenannten "Strafmittel Internet" im Jahr 2007 immerhin bei 82,9 Prozent.
Die Verfassungshüter hatten auf die Eilanträge der Kläger bereits in zwei einstweiligen Anordnungen die umstrittene Datennutzung stark beschnitten. Darin bestimmten sie, dass Strafverfolger nur dann auf die Verbindungsdaten zugreifen dürfen, wenn eine schwerwiegende Straftat vorliegt, die mit anderen Mitteln kaum oder gar nicht aufgeklärt werden kann. Ansonsten werde das Vertrauen der Bürger "in die allgemeine Unbefangenheit des elektronischen Informations- und Gedankenaustauschs" zu sehr eingeschränkt, hieß es zur Begründung. Gut möglich, dass dies auch der Tenor der heutigen Urteilsverkündung sein wird.