Ich weiß genau was du meinst. Gerade dadurch, dass früher vor allem die Grafik noch weit entfernt von der Realität war,
hatte das Ganze noch etwas Abstraktes, worein man sich versetzen konnte/sollte/musste.
(Im Folgenden beziehe ich mich größtenteils auf die grafische Entwicklung und die damit verbundene Stagnation im Spieldesign.)
Heute ist das eigene Einfühlungsvermögen fast gar nicht mehr gefordert.
Damals war das Spielen eines Videospiels fast noch wie das Lesen eines guten Buches.
Bei meinen ersten Spielen (Starcraft, Gothic und Tombraider 3) war, zumindest von meiner Warte aus, sehr viel Kopfkino angesagt.
Bei Starcraft z.B. bekam die Fantasie zwischendurch sehr gute Vorlagen durch die gerenderten Zwischensequenzen.
In den normalen Missionen und Briefings konnte man sich dann selbst ausmalen wie das wohl alles aussehen könnte.
Um wieder den großen Bogen zu Crysis und dem dritten Teil zu schlagen:
Ich finde gerade dadurch, dass die Grafik immer näher an die Realität rückt, wird es schwieriger die Leute wirklich zu bewegen
und es vielen gleichzeitig recht zu machen, weil kaum noch einer seine eigenen Vorlieben mit einbringen kann.
Um das wett zu machen, müssen die Spiele immer aufwändiger werden, womit man wieder beim "Uncanny Valley" wären.
Spoiler Video:
Was ich eigentlich sagen will, wenn ich überhaupt etwas sagen will, ist dass früher zwar die Grafik nicht so weit war,
man aber mit den gegebenen Spielmechanismen, zusammen mit seiner eigenen Fantasie, genug Spaß haben konnte.
Heute wird die eigene Fantasie durch immer explizitere Grafik ausgeblendet, während die Spielmechanismen sich nicht weiterentwickelt haben.
Im Prinzip spielen wir also (bis auf wenige Ausnahmen) immer noch die selben Spiele wie früher, nur mit besserer Grafik,
dadurch jedoch mit weniger eigener Fantasie/Kreativität, was das Spielerlebnis für alle auf genau den
kleinsten gemeinsamen Nenner runter bricht, den die Industrie meint erreichen zu müssen um die breite Masse ansprechen zu können.
So wird unter Umständen mit enormen Aufwand sowohl finanz-, als auch arbeitstechnisch ein Spiel produziert,
das im Grafikbereich anstelle von, durch Abstraktion entstandene, Kunst und damit einhergehenden Individualismus,
nur die jedem bekannte Realität nachahmt und sich dadurch beliebig (und oft austauschbar) macht.
Die Grafik ist deswegen für mich einer der gemeinsten Teufelskreise in der Industrie.
Erstens erstickt sie in der heutigen akkuraten Imitation der Realität oft jegliche eigenen Fantasien im Keim.
Zweitens ist sie genau das, was die Entwicklung eines Spiels heute so unfassbar teuer macht, weswegen es unbedingt
ein so großer Erfolg werden muss, dass man das Spiel auf die Interessen des bösen "Mainstreams" runter bricht.
Warum kommen solche Spiele dann aber so gut an? Dafür gibt es verschiedene Gründe:und am wichtigsten:
- technische Faszination
- medienwirksames Werbemittel
- anfänglicher Coolness- Faktor
- äußerliches Absetzen von der Konkurrenz (technologiebezogen)
- Gelegenheitsspieler (genug Leute die ausschließlich das neuste GTA, FIFA, CoD usw. haben)
- ...
Die Industrie ist fälschlicherweise immer noch auf den Altersbereich 8-20 eingeschworen.
- neue Generationen
Ich behaupte jetzt dass selbst Spiele "ab 18" für Kinder "ab 14" konzipiert sind, weil genau die Leute ab dem Alter
sie auch (noch) am häufigsten spielen und hier die Kaufkraft (der uninformierten/desinteressierten Eltern) ebenfalls noch sehr hoch ist.
Die Zielgruppe der meisten Spiele ist einfach der Nachwuchs- und Gelegenheitsspieler.
Der Spieler, der eben nicht schon 10 Jahre dabei ist, sondern der, der vielleicht vier Jahre spielt und dem man
sodann auch immer wieder ähnliche Spiele andrehen kann.
Und vor allem diesen kann man mit verbesserter Grafik locken. Dass sich das Spielprinzip über Jahrzehnte nicht ändert, das merkt solch ein Spieler (noch) nicht.
Und wenn er es merkt, ist er längst aus der Zielgruppe draußen und hat die ganze Zeit dazu beigetragen, dass sich nichts verändert hat.
Ich hoffe dass die großen Publisher, die die kreativen Leute an der Leine haben, selbst irgendwann mal merken,
dass es spätestens seit dem neuen Jahrtausend Leute gibt, die sich, im Gegensatz zu viel früher, vorstellen könnten
ihr ganzes Leben lang (mal mehr mal weniger) zu spielen.
Und dass sie deswegen irgendwann mal selbst auf den Trichter kommen, dass man genau solche Leute eben nicht
ihr Leben lang mit immer nur neuen Aufgüssen alter Spiele mit neuer Grafik abspeisen kann ...
Crysis 1 hatte einen dieser kleinen Entwicklungssprünge im Spieldesign, auch wenn die meisten nur wieder die grafische Entwicklung sahen.
Für Crysis 3 wünsche ich mir deswegen nicht ein einfaches "back to the roots", sondern etwas, was von der Entwicklung darüber hinaus geht.
Große Hoffnungen mache ich mir zu dem Zeitpunkt aber noch nicht. Wäre aber nicht das erste Mal, dass Crytek uns (auch positiv) überrascht hätte...





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