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Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi hat einen langen Abwehrkampf seines Volkes gegen die internationale Militärintervention angekündigt. "Dies ist nun eine Konfrontation des libyschen Volkes mit Frankreich, Großbritannien und den USA, mit den neuen Nazis", erklärte er in einer Audio-Botschaft, die vom staatlichen libyschen Fernsehen gesendet wurde. Alle Libyer bewaffneten sich nun, nachdem die Rüstungsdepots für sie geöffnet worden seien.
Es war Gaddafis zweite Botschaft seit Beginn des militärischen Eingreifens der Allianz. In der ersten Erklärung in der Nacht hatte er eine Öffnung der Waffenlager "für alle Libyer" angekündigt. Nun sagte er: "Wir sind zu einem langen, ruhmreichen Krieg bereit. Wir werden euch besiegen", drohte er an die westliche Allianz gewandt. "Wir kämpfen in unserem Land, wir verteidigen unsere Ehre", führte er weiter aus. Die alliierten Kräfte bezeichnete er als "Monster" und "Kriminelle". "Ihr werdet stürzen, wie Hitler gestürzt ist. Alle Tyrannen stürzen."
Luftangriffe werden fortgesetzt
Ein Flüchtling an der Grenze zu Tunesien: mehr als 250.000 Menschen haben das Land bisher verlassen.
(Foto: AP)
Frankreich und die USA haben derweil die Luftangriffe auf Libyen wieder aufgenommen. Frankreich ließ mehrere Kampfflugzeuge Panzer von regierungstreuen Truppen angreifen. "Wir wollen dem libyschen Volk ermöglichen, sich zu befreien", hatte der französische Außenminister Alain Juppé am Vorabend im Sender TF1 betont. Er bekräftigte, dass ein Einsatz von Bodentruppen nicht geplant sei.
Der Flugzeugträger Charles de Gaulle sollte heute in Toulon auf seinen Einsatz in Libyen vorbereitet werden. Das Schiff wird nach Angaben des Militärs mit etwa 20 Flugzeugen und Hubschraubern bestückt. Die Hubschrauber sind vor allem für die Bergung von Piloten gedacht, die sich im Fall eines Angriffs per Schleudersitz retten können. Die Fahrt über das Mittelmeer wird etwa 24 Stunden dauern. Der Flugzeugträger soll von drei Fregatten und einem Atom-U-Boot begleitet werden.
Auch die US-Streitkräfte haben ihre Angriffe auf Stellungen in Libyen fortgesetzt. Insgesamt 19 US-Kampfflugzeuge, darunter auch drei Tarnkappenbomber, bombardierten Ziele in dem nordafrikanischen Land, wie der Sprecher des Afrika-Kommandos der US-Streitkräfte in Möhringen bei Stuttgart, Kenneth Fidler, der Nachrichtenagentur AFP sagte. Er fügte hinzu, dass US-Kriegsschiffe und ein britisches U-Boot im Mittelmeer bereits am Samstag 124 Tomahawk-Marschflugkörper auf libysche Luftabwehrstellungen entlang der Küste abgefeuert hätten.
Gaddafi beschießt Misurata
Proteste gegen dein Einsatz auf den Philippinen.
(Foto: AP)
Aus der von Rebellen besetzten Stadt Misurata dringen unterdessen Berichte, Gaddafis Truppen hätten das Feuer auf die Stadt wieder aufgenommen. Die Stadt würde von drei Seiten mit Artilleriegeschützen beschossen, sagte ein Bewohner der BBC. Wohngebiete lägen unter schwerem Feuer.
Nach der ersten Angriffswelle der internationalen Gemeinschaft in der Nacht und am frühen Morgen gegen Gaddafis Truppen ist die Lage in den Städten Tripolis und Bengasi inzwischen ruhiger. In Bengasi, der Hochburg der Regime-Gegner, sei das Eingreifen der internationalen Allianz in der Nacht mit Erleichterung aufgenommen worden, berichtete ein Korrespondent des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira aus der Stadt.
Die internationale Koalition hatte zuvor ihren Militäreinsatz mit massiven Luftangriffen gegen die Truppen des Gaddafi-Regimes und auf Ziele in Tripolis fortgesetzt. In der libyschen Hauptstadt sei am Sonntagmorgen heftiges Feuer aus Flakgeschützen zu hören gewesen, heißt es. Der US-Fernsehsender CNN zeigte Aufnahmen von Leuchtspurgeschossen. Es habe Explosionen gegeben. Daraufhin habe die Flugabwehr zu schießen begonnen. Der Schusslärm habe etwa zehn Minuten gedauert, hieß es beim britischen Sender BBC.
Westen beobachtet Giftgas-Vorräte
Nach dem Beginn der Luftangriffe auf Ziele in Libyen sorgen sich westliche Staaten einem Medienbericht zufolge offenbar um Giftgas-Vorräte von Machthaber Muammar el Gaddafi. Mit Überwachungssatelliten werde ein Gebäude in einem abgelegenen Ort in der libyschen Wüste beobachtet, in dem rund zehn Tonnen Senfgas in mehreren Fässern aufbewahrt würden, berichtete die "Washington Post". Die Fässer seien südlich der Stadt Sirte gelagert, wo Gaddafi geboren sein soll.
"Odyssey Dawn" nennen die USA den Einsatz gegen Gaddafi.
(Foto: dpa)
Westliche Regierungsbeamte befürchten dem Bericht zufolge, Gaddafi könne das Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Nach Angaben der staatlichen libyschen Nachrichtenagentur Jana war auch Sirte Ziel von Luftangriffen geworden.
"Barbarische Aggression"
Am Samstagnachmittag hatte der internationale Militäreinsatz zur Durchsetzung des UN-Flugverbots unmittelbar nach einem Sondergipfel in Paris mit Luft- und Raketenangriffen begonnen. Die USA und Großbritannien starteten von Kriegsschiffen und U-Booten aus Raketenangriffe auf militärische Ziele des Gaddafi-Regimes. Zudem griffen französische und britische Kampfjets in die Militäraktion ein. Beschossen wurden vor allem Ziele in Küstennähe.
BBC berichtete unter Berufung auf die libysche Regierung, dass bei den westlichen Angriffen am Samstag 48 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. 150 Personen seien bei den Beschüssen verletzt worden. Betroffen seien die Hauptstadt Tripolis sowie die Städte Sirte, Bengasi, Misurata und Suwara. Parlamentspräsident Mohamed Swei verurteilte die Angriffe als "barbarische Aggression".
Westerwelle verteidigt Enthaltung
Außenminister Guido Westerwelle setzte sich unterdessen gegen Vorwürfe zur Wehr, die Regierung habe sich mit ihrer Enthaltung bei der Libyen-Abstimmung im UN-Sicherheitsrat international isoliert. "Deutschland steht mit dieser Haltung nicht alleine in Europa", sagte Westerwelle. Es gebe eine Reihe von Partnerländern auch in der Europäischen Union, die die deutsche Position teilten und die Bedenken gegen eine Beteiligung am Militäreinsatz gegen die Truppen des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi verstünden. Als Beispiel nannte er Polen. "Und deshalb ist der Eindruck, Deutschland sei in Europa oder auch in der internationalen Gemeinschaft isoliert, völlig falsch", sagte Westerwelle.
Gaddafi-Unterstützer bei Bab el Asisija, wo der Diktator residiert.
(Foto: REUTERS)
Auch hat Westerwelle den libyschen Staatschef aufgefordert, den von der Internationalen Gemeinschaft verlangten Waffenstillstand einzuhalten. "Oberst Gaddafi muss abtreten", sagte Westerwelle. Zugleich verlangte der FDP-Politiker eine Ausweitung der Sanktionen gegen Gaddafi. Dessen Finanzströme müssten ausgetrocknet werden. Westerwelle wies darauf hin, dass die Bundesregierung fünf Millionen Euro humanitärer Hilfe für die Menschen in den libyschen Grenzgebieten zur Verfügung stelle.
Westerwelle bekräftigte erneut das Angebot der Bundesregierung, die Nato an anderer Stelle entlasten zu wollen und dabei auch eine Ausweitung des deutschen Afghanistan-Einsatzes zu prüfen. Eine Möglichkeit sei dabei eine deutsche Beteiligung am Awacs-Einsatz am Hindukusch. Eine Entscheidung dazu sei aber noch nicht gefallen, betonte der Minister. Nach dem Kabinett müsste auch der Bundestag ein Awacs-Mandat für Afghanistan billigen.
Nicht nur aus den Reihen der Opposition war die Enthaltungs-Entscheidung kritisiert worden Auch in der Union gab es kritische Stimmen. "Man kann Bündnissolidarität zeigen, ohne bei jedem Einsatz an vorderster Front mitzumachen", sagte der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, dem Deutschlandfunk. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte dem Radiosender, die Frage sei berechtigt, ob Deutschland im Sicherheitsrat ähnlich wie seine Bündnispartner hätte abstimmen sollen. Zwischen der Zustimmung zu der Resolution und der Entscheidung über eine Beteiligung deutscher Soldaten an einem Militäreinsatz bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang, betonte der Unionspolitiker.
Nato nähert sich Einigung
Die Nato kommt unterdessen einer Einigung über einen Einsatz des Militärbündnisses in Libyen näher. Militärs und Botschafter der 28 Länder seien in wesentlichen Fragen einer Meinung, doch einige Details seien noch offen, verlautete es aus Brüsseler Diplomatenkreisen. Nach wie vor fehlt eine politische Einigung für ein Mandat. Die Botschafter wollten diese aber so bald wie möglich erreichen.
Seit Tagen laufen im Brüsseler Nato-Hauptquartier Kriegsvorbereitungen, die Planungen sollen weitgehend abgeschlossen sein. Ziel der Nato werde sein, das vom UN-Sicherheitsrat genehmigte Flugverbot über Libyen durchzusetzen, hieß es.