Crysis Player
24.01.2008, 23:15
Einer Forschergruppe um den Biologen und Unternehmer Craig Venter ist es erstmals gelungen, das vollständige Erbgut eines Bakteriums künstlich herzustellen. Der nächste Schritt ist die Schaffung synthetischer Lebewesen - Kritiker warnen vor unabsehbaren Folgen.
Craig Venter hat es fast geschafft. Schon im vergangenen Jahr hatte der Biologe und Unternehmer angekündigt, er werde demnächst das erste künstliche Lebewesen herstellen - nun ist einer Arbeitsgruppe an seinem Forschungsinstitut der wohl schwierigste Schritt auf dem Weg dorthin gelungen. Daniel Gibson, der Nobelpreisträger Hamilton Smith, Venter und eine ganze Reihe anderer Wissenschaftler haben das vollständige Genom eines Bakteriums im Labor hergestellt. Venters Kritiker werden entsetzt sein.
Erstautor Gibson spricht dagegen von einem "begeisternden Fortschritt für unsere Wissenschaftler und unsere Disziplin". Mit der Herstellung eines Bakteriumgenoms sei die vorletzte Etappe auf dem Weg zur Schaffung künstlichen Lebens erreicht. "Wir arbeiten jedoch weiter auf das Ziel hin, ein synthetisches Chromosom in eine Zelle einzusetzen und so die Schaffung des ersten künstlichen Organismus in Gang zu setzen", schreiben die Forscher im Fachmagazin "Science", in dem sie über den Durchbruch berichten.
Die erste der drei Etappen auf dem Weg zu künstlichem Leben hatten Venters Forscher bereits im vergangenen Jahr zurückgelegt, als ihnen das Einsetzen eines Genoms von einem Bakterium in ein anderes gelang. Nun müssen die beiden Schritte nur noch kombiniert werden. Sven Panke, Fachmann für Biotechnologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, hält die letzte Hürde jedoch für ein geringes Problem für Venters Team. Panke sagte SPIEGEL ONLINE: "Ich bin mir 100:1 sicher, dass das funktionieren wird."
"Leben wird zu Technologie"
Künstliche Bakterien könnten eines Tages dazu dienen, Menschheitsprobleme zu lösen, betont Venter immer wieder. Erst vor wenigen Tagen erklärte er bei einem Kongress in München, der Klimawandel sei eine viel größere Bedrohung für die Menschheit als die Gentechnik. Die aber könne dagegen helfen: Mit maßgeschneiderten Mikroben, die CO2 fressen zum Beispiel: "Wir können die Umwelt durch gezielte Gestaltung verändern." Das Leben sei nichts anderes als "Maschinerie, und indem wir lernen, es zu beeinflussen, wird es zu Technologie". Künstliche Mikroorganismen könnten etwa auch Medikamente produzieren oder günstigen Biotreibstoff herstellen. Viele Kritiker mahnen aber, wenn überhaupt Lebewesen im Labor hergestellt sollten, müssten wenigstens Gesetze zur Kontrolle solcher Aktivitäten her.
Das Bakterium Mycoplasma genitalium, dessen Erbgut die Forscher nachgebaut haben, besitzt das kleinste bekannte Genom aller Zellen, die sich unabhängig reproduzieren und in einem Labor kultiviert werden können. Es umfasst 580.076 Basenpaare. Zum Vergleich: Das menschliche Genom besteht aus über drei Milliarden Basenpaaren.
Wasserzeichen in der künstlichen DNA
Das längste Stück DNA, das Wissenschaftler bislang künstlich herstellen konnten, war 32.000 Basenpaare lang. Das Bakteriengenom, das die Wissenschaftler um Venter nun nachbauten, ist also mehr als 18-mal länger als das Werk der bisherigen Rekordhalter. Teile davon wurden verändert: Mycoplasma genitalium verursacht eine Geschlechtskrankheit - dem künstlichen Genom jedoch wurde die Fähigkeit genommen, die Krankheit auszulösen. Außerdem hinterließen die Genetiker sogenannte Wasserzeichen in der künstlichen DNA, um originale und nachgebaute Stränge besser unterscheiden zu können.
Die Schwierigkeiten, die Wissenschaftler bisher bei der Schaffung solch langer DNA-Stränge hatten, seien vor allem technischer Natur, erklärt Sven Panke. Künstlich hergestellte DNA-Sequenzen weisen meist Fehler auf, mal mehr, mal weniger. Weil in Venters Institut jedoch gewaltige Kapazitäten zur Sequenzierung, also zur genauen Analyse von Gen-Abschnitten zur Verfügung stünden, habe das Team mit großer Geduld immer wieder Abschnitte hergestellt und dann per Sequenzierung auf Fehler hin überprüfen können. Nur wirklich fehlerfreie Abschnitte habe man dann weiterverarbeitet.
"Venter ist nicht Gott"
Diese wurden zunächst im Darmbakterium Escherichia coli zwischengelagert, gewissermaßen als vorübergehender DNA-Kühlschrank. Anschließend wurden die Stücke in Hefezellen eingebracht, die eine spezielle Fähigkeit haben: Hefe ist besonders gut dazu geeignet, DNA-Stücke zusammenzufügen, deren Enden sich gleichen. Zwei Abschnitte, deren erste und letzte 80 Basenpaare identisch sind, legen sich unter bestimmten Bedingungen übereinander und verschmelzen an dieser Stelle - aus zwei Stücken wird ein langes.
Mit dieser, immer wieder wiederholten Methode, bastelten die Forscher schließlich aus 101 einzelnen DNA-Schnipseln das über 580.000 Basenpaare lange Bakterien-Genom zusammen. Um zu überprüfen, ob das so entstandene Genom tatsächlich der Vorlage glich, isolierten die Forscher die DNA anschließend wieder, analysierten sie und verglichen sie mit dem Originalerbgut von Mycoplasma genitalium. Bis auf die "Wasserzeichen", die Gibson und sein Team in die neue DNA eingebaut hatten, um sie vom Original unterscheiden zu können, war das Erbgut identisch. Ein Lebewesen ist das künstliche Erbgut aber noch nicht - dazu fehlt der Schritt, die hergestellte DNA auch in eine vorhandene Zelle einzubringen, so dass tatsächlich ein funktionierender Organismus entsteht. Aus Sicht der synthetischen Biologie sei der Erfolg dennoch "ein großer Schritt", sagt Panke. In der Wissenschaftswelt stieß die Studie jedoch auch auf Skepsis. Der Molekularbiologe Eckard Wimmer von der New York University etwa sieht das aktuelle Ergebnis skeptischer als Panke. Der Nachrichtenagentur AFP sagte er, nach der Herstellung eines künstlichen Genoms hätten die Wissenschaftler eigentlich auch gleich künstliches Leben schaffen können. Dass dieser letzte Schritt nicht erfolgt sei, spreche dafür, dass das hergestellte Genom nicht lebensfähig sei. Diese Möglichkeit hätten die Forscher am Ende ihrer Studie selbst eingeräumt mit dem Hinweis, dass das Genom "vielleicht nicht lebensfähig im Fall experimenteller Transplantationen" sei, unterstrich Wimmer. Helen Wallace von der Organisation GeneWatch in Großbritannien sagte: "Venter ist nicht Gott... Er ist weit davon entfernt, Leben zu erschaffen."
Ein großes Ego hat der stets öffentlichkeitswirksam auftretende Forscher in jedem Fall: Das Team taufte das künstliche Genom "Mycoplasma genitalium JCVI-1.0". J, C und V sind Venters Initialen.
Mit Material von "AFP" und "ddp"
Craig Venter hat es fast geschafft. Schon im vergangenen Jahr hatte der Biologe und Unternehmer angekündigt, er werde demnächst das erste künstliche Lebewesen herstellen - nun ist einer Arbeitsgruppe an seinem Forschungsinstitut der wohl schwierigste Schritt auf dem Weg dorthin gelungen. Daniel Gibson, der Nobelpreisträger Hamilton Smith, Venter und eine ganze Reihe anderer Wissenschaftler haben das vollständige Genom eines Bakteriums im Labor hergestellt. Venters Kritiker werden entsetzt sein.
Erstautor Gibson spricht dagegen von einem "begeisternden Fortschritt für unsere Wissenschaftler und unsere Disziplin". Mit der Herstellung eines Bakteriumgenoms sei die vorletzte Etappe auf dem Weg zur Schaffung künstlichen Lebens erreicht. "Wir arbeiten jedoch weiter auf das Ziel hin, ein synthetisches Chromosom in eine Zelle einzusetzen und so die Schaffung des ersten künstlichen Organismus in Gang zu setzen", schreiben die Forscher im Fachmagazin "Science", in dem sie über den Durchbruch berichten.
Die erste der drei Etappen auf dem Weg zu künstlichem Leben hatten Venters Forscher bereits im vergangenen Jahr zurückgelegt, als ihnen das Einsetzen eines Genoms von einem Bakterium in ein anderes gelang. Nun müssen die beiden Schritte nur noch kombiniert werden. Sven Panke, Fachmann für Biotechnologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, hält die letzte Hürde jedoch für ein geringes Problem für Venters Team. Panke sagte SPIEGEL ONLINE: "Ich bin mir 100:1 sicher, dass das funktionieren wird."
"Leben wird zu Technologie"
Künstliche Bakterien könnten eines Tages dazu dienen, Menschheitsprobleme zu lösen, betont Venter immer wieder. Erst vor wenigen Tagen erklärte er bei einem Kongress in München, der Klimawandel sei eine viel größere Bedrohung für die Menschheit als die Gentechnik. Die aber könne dagegen helfen: Mit maßgeschneiderten Mikroben, die CO2 fressen zum Beispiel: "Wir können die Umwelt durch gezielte Gestaltung verändern." Das Leben sei nichts anderes als "Maschinerie, und indem wir lernen, es zu beeinflussen, wird es zu Technologie". Künstliche Mikroorganismen könnten etwa auch Medikamente produzieren oder günstigen Biotreibstoff herstellen. Viele Kritiker mahnen aber, wenn überhaupt Lebewesen im Labor hergestellt sollten, müssten wenigstens Gesetze zur Kontrolle solcher Aktivitäten her.
Das Bakterium Mycoplasma genitalium, dessen Erbgut die Forscher nachgebaut haben, besitzt das kleinste bekannte Genom aller Zellen, die sich unabhängig reproduzieren und in einem Labor kultiviert werden können. Es umfasst 580.076 Basenpaare. Zum Vergleich: Das menschliche Genom besteht aus über drei Milliarden Basenpaaren.
Wasserzeichen in der künstlichen DNA
Das längste Stück DNA, das Wissenschaftler bislang künstlich herstellen konnten, war 32.000 Basenpaare lang. Das Bakteriengenom, das die Wissenschaftler um Venter nun nachbauten, ist also mehr als 18-mal länger als das Werk der bisherigen Rekordhalter. Teile davon wurden verändert: Mycoplasma genitalium verursacht eine Geschlechtskrankheit - dem künstlichen Genom jedoch wurde die Fähigkeit genommen, die Krankheit auszulösen. Außerdem hinterließen die Genetiker sogenannte Wasserzeichen in der künstlichen DNA, um originale und nachgebaute Stränge besser unterscheiden zu können.
Die Schwierigkeiten, die Wissenschaftler bisher bei der Schaffung solch langer DNA-Stränge hatten, seien vor allem technischer Natur, erklärt Sven Panke. Künstlich hergestellte DNA-Sequenzen weisen meist Fehler auf, mal mehr, mal weniger. Weil in Venters Institut jedoch gewaltige Kapazitäten zur Sequenzierung, also zur genauen Analyse von Gen-Abschnitten zur Verfügung stünden, habe das Team mit großer Geduld immer wieder Abschnitte hergestellt und dann per Sequenzierung auf Fehler hin überprüfen können. Nur wirklich fehlerfreie Abschnitte habe man dann weiterverarbeitet.
"Venter ist nicht Gott"
Diese wurden zunächst im Darmbakterium Escherichia coli zwischengelagert, gewissermaßen als vorübergehender DNA-Kühlschrank. Anschließend wurden die Stücke in Hefezellen eingebracht, die eine spezielle Fähigkeit haben: Hefe ist besonders gut dazu geeignet, DNA-Stücke zusammenzufügen, deren Enden sich gleichen. Zwei Abschnitte, deren erste und letzte 80 Basenpaare identisch sind, legen sich unter bestimmten Bedingungen übereinander und verschmelzen an dieser Stelle - aus zwei Stücken wird ein langes.
Mit dieser, immer wieder wiederholten Methode, bastelten die Forscher schließlich aus 101 einzelnen DNA-Schnipseln das über 580.000 Basenpaare lange Bakterien-Genom zusammen. Um zu überprüfen, ob das so entstandene Genom tatsächlich der Vorlage glich, isolierten die Forscher die DNA anschließend wieder, analysierten sie und verglichen sie mit dem Originalerbgut von Mycoplasma genitalium. Bis auf die "Wasserzeichen", die Gibson und sein Team in die neue DNA eingebaut hatten, um sie vom Original unterscheiden zu können, war das Erbgut identisch. Ein Lebewesen ist das künstliche Erbgut aber noch nicht - dazu fehlt der Schritt, die hergestellte DNA auch in eine vorhandene Zelle einzubringen, so dass tatsächlich ein funktionierender Organismus entsteht. Aus Sicht der synthetischen Biologie sei der Erfolg dennoch "ein großer Schritt", sagt Panke. In der Wissenschaftswelt stieß die Studie jedoch auch auf Skepsis. Der Molekularbiologe Eckard Wimmer von der New York University etwa sieht das aktuelle Ergebnis skeptischer als Panke. Der Nachrichtenagentur AFP sagte er, nach der Herstellung eines künstlichen Genoms hätten die Wissenschaftler eigentlich auch gleich künstliches Leben schaffen können. Dass dieser letzte Schritt nicht erfolgt sei, spreche dafür, dass das hergestellte Genom nicht lebensfähig sei. Diese Möglichkeit hätten die Forscher am Ende ihrer Studie selbst eingeräumt mit dem Hinweis, dass das Genom "vielleicht nicht lebensfähig im Fall experimenteller Transplantationen" sei, unterstrich Wimmer. Helen Wallace von der Organisation GeneWatch in Großbritannien sagte: "Venter ist nicht Gott... Er ist weit davon entfernt, Leben zu erschaffen."
Ein großes Ego hat der stets öffentlichkeitswirksam auftretende Forscher in jedem Fall: Das Team taufte das künstliche Genom "Mycoplasma genitalium JCVI-1.0". J, C und V sind Venters Initialen.
Mit Material von "AFP" und "ddp"